Hungertücher sind in der katholischen Kirche seit dem 13. Jahrhundert bekannt. Sie verhüllen in der Fastenzeit die bildlichen Darstellungen Jesu. Als Buße gedacht, unterstreicht die Gemeinde damit „ihre Unwürdigkeit, Gott zu schauen“. Das Hungertuch bleibt während der gesamten Fastenzeit, also 40 Tage, im Altarraum hängen.
Auch das Hungertuch für unsere Kirche Christkönig, dass von 12 Frauen der kfd - Gruppe Aufwind konzipiert und gestaltet wurde, verdeckt während der Fastenzeit das große Mosaik von der Verklärung Christi und lädt durch seine Motive zum Nachdenken, zur Gewissenserforschung und zu Meditation ein.
Das Tuch mißt 4 m x 5 m und besteht aus 30 farbigen Stoffquadraten, die jeweils eine Größe von 60 cm x 60 cm haben. Sechs Reihen aus jeweils fünf Quadraten wurden zu einem Rechteck zusammengefügt. Als Rahmen dient eine violette Stoffumrandung.
Die Struktur des Tuches ist vorgegeben durch ein Kreuz aus weißen Quadraten mit Symbolen der Erlösung und der Zuwendung Gottes zu den Menschen.
Auf den violetten Quadraten sind die Symbole der Passion gestaltet, wie sie in der Bibel vorkommen. Auf den übrigen farbigen Quadraten wird mit Symbolen das Leid der Menschen heute dargestellt.
Schließlich befindet sich im Zentrum des Kreuzes eine Regenbogenspirale, welche die Farben der bunten Quadrate aufgreift und auf die Wandlung allen Leides in Heil und auf Gottes Nähe im Leid hinweist.
Foto: Gabor Wallrabenstein
Im Frühsommer 2006 entstand bei der Gruppe kfd-Aufwind die Idee, ein Hungertuch für die Kirche Christkönig zu erstellen. Die Umsetzung der Idee erfolgte in folgenden Schritten:
1. Wir näherten uns dem Thema zunächst mit folgenden Fragestellungen: Was ist ein Hungertuch? Wie sind Hungertücher entstanden? Welche Wirkung soll ein Hungertuch heute haben?
2. Wir beschäftigten uns mit der Passionsgeschichte. Gemeinsam lasen wir die Leidensgeschichten in den unterschiedlichen Evangelien in der Form des Bibelteilens.
3. Wir stellten gedankliche Bezüge zwischen der Leidensgeschichte Jesu und dem Leiden heutiger Menschen her und erweiterten anschließend unsere Blickrichtung auf das Kreuz als Zeichen der Erlösung und Zuwendung Gottes zu den Menschen.
4. Nun suchten wir in gemeinsamen Gesprächen entsprechende Symbole zur Darstellung
des zuvor Erkannten und fertigten Skizzen an
5. Eine Abordnung unserer Gruppe präsentierte unsere bisherige Planung mit den oben erwähnten Skizzen unserem damaligen Pfarrer, um ihn von unserem Projekt zu überzeugen. Es gelang uns, ihn für unser Konzept zu begeistern, so dass er unseren Plan konzeptionell unterstützte und die finanziellen Verhandlungen mit dem Kirchenvorstand positiv beeinflusste.
6. Im Gruppengespräch fanden wir zu der grundsätzlichen (endgültigen) Form wie im Menü unter Aufbau nachzulesen ist.
7. Um die Planung konkret werden zu lassen, legten wir ein Hungertuch in Originalgröße
aus farbigem Transparentpapier auf den Boden des Gemeindehauses und verteilten
darauf die zu Hause ebenfalls aus Papier angefertigten Symbole. Gemeinsam wurde diskutiert und über Veränderungen nachgedacht, um einer einheitlichen Gestaltung näher zu kommen.
8. Nach dem Kauf der Stoffe und deren Zuschneiden zu Quadraten, legten wir die Stoffteile auf den Boden des Gemeindehauses und tüftelten an der Farbverteilung herum. (Foto links)
9. Anschließend nahm jede Frau ein oder mehrere Quadrate mit nach Hause, um dort die von ihr gewählten Symbole mit Stoff und Vlies zu gestalten und aufzunähen. (Foto rechts)
10. Nun konnten endlich – mit Filz unterfüttert – die Quadrate zusammen genäht werden.
11. Zwei wesentliche Details wurden erst nach dem Zusammennähen angebracht. Drei Strahlen als Dreifaltigkeitssymbol am „Auge Gottes" und die oben bereits erwähnte Regenbogenspirale; denn beide erstrecken sich über mehrere Quadrate.
12. Nach insgesamt 342 Arbeitsstunden an diesem Projekt konnte das fertig gestellte Tuch pünktlich zum Beginn der Fastenzeit am Aschermittwoch in der Kirche Christkönig aufgehängt werden.
13. Schließlich beteiligten wir uns an dem bundesweiten Wettbewerb "Mach mit - mach's nach", der vom Bundesverband der kfd im Rahmen des Praxispreises zum Prozess "Charismen leben - Kirche sein" ausgeschrieben worden war. In Mainz wurde uns der 1. Preis überreicht.
Siegerehrung in Mainz
Die Ev.-lutherische Kirchengemeinde Lydia war an einer Ausleihe unseres Hungertuches während der Fastenzeit 2023 interessiert.
In der Fastenzeit fanden Abendandachten zu einzelnen Motiven des Hungertuches statt, die sich an den von uns verfassten Texten orientierten.
Ort der Gottesdienste war jeweils die Johanniskirche, 33615 Bielefeld, Johanniskirchplatz
Am Gründonnerstag kehrte das Tuch dann in unsere Gemeinde zurück.